Duisburger Geschichten und Geschichte. Teil 1.
Die Duisburger Stadtgeschichte ist eng mit dem Namen Horten verbunden. Dazu gehört auch das dunkle Kapitel der »Arisierung« jüdischer Kaufhäuser.
Jüdische Unternehmer schrieben Kaufhausgeschichte. Theodor Lauter gründete 1893 in der Beekstraße das Kaufhaus „Gebrüder Alsberg“. Gemeinsam mit dem neuen Mitinhaber Hermann Strauß leitete er das expandierende Unternehmen. Nach dem Ersten Weltkrieg verschlechterte sich die wirtschaftliche Situation. Mit der politischen Polarisierung gerieten jüdische Kaufhäuser ins Visier der Nationalsozialisten. Die letzten Jahre seines Unternehmens und den Boykott gegen jüdische Geschäfte erlebte Lauter nicht mehr. Er verstarb 1932 im Alter von 69 Jahren. Die Anteile an der Firma übernahm seine Frau Amalie und sein Sohn Ernst. Der Verkaufsdruck auf Lauters Frau und die Kinder stieg nach der Machtergreifung. Sie mussten einen Käufer finden. Während den Kindern danach noch rechtzeitig die Auswanderung gelang, wurde Amalie Lauter später nach Theresienstadt deportiert und nach dem Krieg für tot erklärt.
Von der „Arisierungspolitik“ hatte ein Angestellter im Hause Alsberg profitiert. Der junge Textilkaufmann Horten übernahm das Alsberg-Textilhaus und das Haus der Lauter-Familie an der Prinz-Albrecht-Straße 1. Das fehlende Eigenkapital konnte er über verwandtschaftliche Beziehungen beschaffen. Ein massiver Druck oder gar Erpressung beim Kauf fand nicht statt, so der Historiker Dr. Maximilian Kutzner. Gleichwohl war es ein gelungener „Deal“ für Horten. Der 27jährige war jetzt Chef von 450 „arischen“ Mitarbeitern; die jüdischen Beschäftigten wurden entlassen. Die Neueröffnung des „arisierten“ Kaufhauses Horten wurde in der Nationalzeitung mit einer großflächigen Anzeige am 10. Mai 1936 angekündigt. Siehe Fotocollage.
Mit dem Rückgang der Arbeitslosigkeit stiegen die Umsätze des neuen Kaufhauskönigs. Zur NS-Zeit wurde Horten später die Verteilung der kriegsbedingt kontingentierten Waren für die Kauf- und Warenhäuser im gesamten Niederrhein-Bereich übertragen. Er hatte allerdings nie die Funktion eines „Wehrwirtschaftsführers“.
Mit den Bombenangriffen der Alliierten und der Zerstörung des ehemaligen Alsberg-Kaufhauses Ecke Beek-/Universitätsstraße schien die Karriere des Kaufhauskönigs endgültig beendet. Im August 1946 wurde er von der englischen Militärpolizei verhaftet und interniert. Doch 1948 kehrte der „Dyamiker“ voller Tatendrang nach Duisburg zurück. Mit der Währungsreform und der Einführung der D-Mark profitierte der Kaufhauskönig von der steigenden Kaufkraft der Duisburger. Mit dem „Bau der 100 Tage“ gelang es Horten, ein neues Kaufhaus am König Heinrich Platz in Rekordzeit hochzuziehen. Duisburg wurde zum Geburtsort seines Kaufhaus-Imperiums. Die Kaufhaus-Grundidee lautete: „Alles unter einem Dach“. Ein breitgefächertes Sortiment – von Mode bis Elektroartikel, von Büchern bis Parfümerie erfüllte sämtliche Kundenwünsche. Das kam bei den Duisburgern an.
Der umtriebige Horten vergrößerte systematisch sein Kaufhaus-Imperium. Der jüdische Unternehmer Salman Schocken hatte seinen 51% Aktienanteil an der Merkur AG , die ihm als Wiedergutmachung zustand, zum Verkauf angeboten. Horten griff zu. Die Finanzierung war aufgrund seiner Vernetzung kein Problem. Den nächsten Schritt wagte er Ende 1954 als er Alleinaktionär der Defaka wurde. Die Anteile erwarb er ebenfalls von dem vor dem Krieg in die USA emigrierten jüdischen Aktieninhaber Jakob Michael. Der geschäftstüchtige Horten erklärte später: „Alle jüdischen Vorbesitzer habe ich nach dem Kriege ohne gegenseitige Vorurteil wiedergesehen.“
In Duisburg war die Errichtung des Kaufhauses Merkur – mit Horten-Waben oder auch „Kettenhemd“ genannt – an der Düsseldorfer Straße 32-36 / Ecke Friedrich-Wilhelm-Straße ein weiteres Wahrzeichen des Wirtschaftswunders. Das war 1958. Es ging weiter aufwärts in Duisburg. Die Kaufhäuser sonnten sich in steigenden Umsatzzahlen. Vermutlich erkannte der Strategiefuchs Horten, dass Ende der 60er Jahre der optimale Zeitpunkt für den schrittweisen Verkauf seiner Aktienanteile gekommen war. Zudem missfiel ihm die deutsche Wirtschafts- und Steuerpolitik. Er zog sich mit seiner 32 Jahre jüngeren Frau in den Tessin zurück und pflegte einen mondänen Lebensstil. Wegen seines Rückzugs in die Schweiz stand Horten monatelang im Kreuzfeuer der Öffentlichkeit und Politik. Der Vorwurf des Steuerflüchtlings traf ihn. Tatsächlich wurde er seine Rechtsauffassung bestätigt und er durch das Urteil des Bundesfinanzhof rehabilitiert, so Dr. Kutzner. Horten starb 1987 in seiner Schweizer Wahlheimat und vermachte sein Milliardenvermögen seiner Frau.
Von Harald Küst
Quellen: Rheinische Post, 07.02.2021, Harald Küst, RP-Serie Duisburger Geschichten und Geschichte
Dr. Maximilian Kutzner , Vortrag im Stadtarchiv vom 26. Januar 2023 in Kooperation mit der Mercator-Gesellschaft „Das Kaufhaus-Imperium von Helmut Horten und seine Anfänge in Duisburg“